Meine Heidnische Wahre Liebe

Während des Zweiten Weltkriegs war ich fünf oder sechs Jahre alt.

An der Wand hing eine Landkarte Europas, wo die Heere der Achsenmächte und der Alliierten mithilfe von buntfarbigen Pinnen dargestellt wurden.

Mein Vater, ein aktiver Mitglied des französischen Widerstands, zog die schwarzfarbigen Pinnen aus der Ostfront heraus. Ich begriff es sofort: Die Nazis weichten zurück.

– Werden die Deutsche den Krieg verlieren? – sagte ich.

Es fiel mir schwer daran zu glauben, weil in dem Moment hunderte von Deutschen auf die Straßen abmarschierten. Dann gab mir mein Vater eine Antwort, die sich für immer in meinem Kopf als vaterlicher Ratschlag eingravierte.

– Selbstverständlich mein Sohn! Einer muss es einfach WOLLEN.

Dieses Erlebnis wurde durch den französischen Philosophen Alain Badiou auf dem schwerizerischen Fernsehsender SRF erzählt. Als ich ihn zuhörte, bewog sich mein Herz. Auf Französisch verwendet er das Verb vouloir, dessen Herkunft der Nomen volonté – d.h. «Wille» – ist.

Jede politische Bewegung, Kampf für eine gerechte Welt oder Änderung der Establishment beginnt mit etwas einfach, aber unerlässlich wie der Wille.

Durch den Willen liebt einer, da der Wille sich in Entscheidungskraft verwandelt. Und die Entscheidungskraft ist die Herkunft der Liebe.

(ab der Minute 22:27 abspielen)

Heute werde ich meine persönliche Vorstellung von Liebespaar Liebe unterstützen. Für mich ist es wichtig zu beweisen, dass die Wahre Liebe nicht Hand in Hand mit einer konservativen christlichen Ideologie gehen muss, um gültig zu sein.

Jahre zuvor bekam ich ein Buch von einem Anhänger der Hare-Krishna Bewegung in einer U-Bahn Station in Montréal. Selbst wenn ich ihm erklärte, dass ich Sprachfähig auf Französisch war, beharrte er darauf, mir eine Kopie der Bhagavad gita auf Spanisch zu schenken. Dieses Buch lag für eine Dauer von sechs Jahren auf dem Bücherregal in meinem Zimmer, weil ich kaum Interesse darauf hatte, etwas auf meiner Muttersprache zu lesen.

Eines Tages, als ich in Internet durchstöberte, stolperte ich über ein sehr interessantes Kuriosum. Ich lernte, dass ebenderselbe Heinrich Himmler (der zweite Befehlshaber nach Hitler) immer eine mit Leder gebundene Kopie der Bhagavadgita zu Hand hatte. Dasselbe Buch, das auf meinem Buchschrank lag.

In der Bhagavad gita sprechen der indische Krieger Arjuna und die Gottheit Krishna miteinander. Arjuna befindet sich in einer sehr schweren Situation: zwei große Heere sind gegeneinander positioniert. Zu seinem großen Bedauern befindet sich Teil seiner Familie und Freunden in der entgegensetzten Fraktion. Arjuna komm zur Realisierung, dass er in der zukünftigen Auseinandersetzung seine eigenen und engen Angehörigen töten muss.

Dennoch wird er von Krishna überzeugt, indem Krishna ihn darauf erinnert, dass das Kriegersein seine Berufung ist und; dass alles war er zerstören muss, ist auf irgendwelche Weise schon zerstört; und, wenn er seine Plficht nicht erfüllt, wird er Schaden an seinem Ruf erleiden müssen; usw.

Zwar kann der Bhagavad gita die absolute Pflicht vom Individuum dem Staat gegenüber unterstützen -und ich bedaure es, dass das Buch Ganoven, wie Himmler, zum Erfolg verholfen hat-, aber man darf nicht idiotischerweise dieses altertümliche Buch allein deswegen nicht ernst nehmen.

Sternen strahlen nur in der Nacht.

Und was für eine Sterne habe ich gefunden.

Paradoxerweise fand ich zwei Absätze, die meine persönliche Vorstellung von Liebe perfekt beschreiben.

Der Erhabene sprach:

45. … O Arjuna,  sei … gleichgültig gegen die Gegensätze (Freude und Schmerz usw.), immerdar standhaft in Mut, unbekümmert um Erwerb und Erhaltung des Besitzes, und übe Selbstbeherrschung.

47. … Dein Interesse (aber) sei nur auf das Handeln gerichtet, niemals auf dessen Früchte. Laß dich nicht durch die Früchte des Handelns bestimmen, (aber) neige (auch) nicht zu Untätigkeit. (1)

Das Liebespaar sollte nicht nach dem Verheiratetsein streben, sondern das Feuer seines Verliebtseins am Brennen halten. Der Zweck und die Mittel gleichen sich miteinander mithilfe von zarten Worten, Geschenken und der Hingabe füreinander.

Und was sollte man gegenüber Hindernisse tätigen? Wann werden sie aufhören, der Beziehung Herausforderungen ständig zu stellen?

Mein lieblings Philosoph Slavoj Žižek besitzt ein faszierendes Konzept namens Der Mut der Hoffnunglosigkeit (2). (Ich werde eine von ihm oft verwendete Analogie als Beispiel nehmen). Stell dir vor, dass du in einer U-Bahn Tunnel verlaufen bist. Am Ende des Tunnels strahlt ein helles Licht auf dich.

Wahrscheinlich hast du den Tunnelausgang ausfindig gemacht!

Du liegst so falsch.

Es handelt sich, um einen anderen schnellfahrenden Zug, der genau zu dir kommt!

Und höchstwahrscheinlich werden die zukünftigen und von dir wahrgenommenen Lichter von anderen kommenden Zügen sein.

Paradoxerweise muss man über ein gewisses realistisches Pessimismus verfügen, um weiter vorwärts laufen zu können. Gleich die Widrigkeit, die immer vorhanden ist und beim Verabschieden von einem Stück Naivität ist es einem möglich, mütig zu bleiben und weiter zu gehen.

Man muss immer mit Widrigkeiten rechnen, sowohl am Anfang der Beziehung als auch nach der Eheschließung. Und genau aus diesem Grund soll einer die Hand seines Partners nicht loslassen, weil nach dem ersten Licht gibt es noch anderen: Mut in der Hoffnunglosigkeit.

Zum letzten will ich drei Verse aus Epheser 1 zitieren, wodurch Luther und Calvin, die Helden der Reformation und Pfadbereiter des Protestantismus, stark beeinflusst waren.

4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe;

5 er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens,

11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, (3)

D.h., dass bevor wir zur Welt kommen, ist dem lieben Gott bewusst, wer in den Himmel oder zur Hölle geht. Das Schicksal jeder einzelnen ist von vornherein vorhergesagt.

Laut dem, was ich in meiner katholischen Schule gelernt hatte, dürfte einer die Gnade Gottes allein durch gute Taten empfangen. Als ich im Religion von der protestantischen Prädestination lernte, wurde ich fassunglos, weil es mir schwer fiel, es zu verstehen, wie einer ein guter Mensch sein konnte und gleichzeitig daran glauben könnte.

Trotzdem bin ich heute einer anderen Auffassung. Wie kann einer seine guten Taten kaltherzig beziffern und trotzdem in Himmel gehen dürfen?

Žižek stellt eine gute Analogie dar. Stell es dir vor, dass ein Katholiker um den See läuft und er erkennt ein Kind, das gerade ertrinkt. Trotz der Dringlichkeit der Situation besteht immer noch die Wahrscheinlichkeit, dass er für eine Millisekunde auf die folgende Idee kommt: «Super! Ein Punkt mehr für meine Reise in den Himmel».

Im Gegensatz zu ihm würde ein Calvinist komplett anders denken, da er schon gesegnet oder verdammt ist. Sein Schicksal wurde schon festgestellt, aber das bleibt ihm unbekannt. Das Einzige woran er denken kann ist: «Vielleicht gehe ich in Himmel oder zur Hölle, jedoch werde ich dieses Kind retten».

Das ist die am puresten Güte.

Diesem Denken liegt meine unsterbliche Liebe für jemanden zugrunde. Dieser Person bleibe ich immer treu, egal unter welchen Umständen. Es entspricht meinem Willen, ihre Hand in dem Sturm zu halten. Sie werde ich küssen und streicheln und ständig verehren, weil das Boot mitten in dem Sturm aufrechtzuerhalten wichtiger ist, als den naheliegenden Insel zu erreichen. Zwar ist mir bewusst, dass Widrigkeit lange Lebensdauer hat, aber wir auch. Außerdem hätte sie keinen Existenzzweck ohne uns. Mir fehlt nicht der Glaube.

Caritas Omnia Vincit

Radwulf

09/04/2019

Quelle:

  • (1) Bhagavadgita: Der Gesang des Erhabenen (Seiten 68 und 69. Verlag Anaconda. Herausgegeben und aus dem Sanskrit übersetzt von Richard Garbe).
  • (2) Übersetzung von The Courage of Hopelessness.
  • (3) https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lutherbibel-2017/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/59/10001/19999/

 

 

Autor: Radwulf93

My name is Raúl Valero and I was born just next to the great Titicaca lake in the peruvian side of the border. Since I was fifteen years old I have shown interest for movies and in my early twenties for languages in general. I'm deeply in love with cinema and european languages alike. "Kinolingua" stands for "Kino", that is "cinema" or "movement"; and "lingua", for "tongue" and "language". I was thinking about writing a long biography, but I guess it would be just an egocentric literary jerk-off. If you have any questions about me, feel free to write me an e-mail to "[email protected]" . I hope you enjoy my blog. Sincerely, R.